74. Sitzung vom 02.12.2022, Top 36 KiTa-Qualitätsgesetz, Sprach-Kitas
Vizepräsidentin Aydan Özoğuz:
Nächste Rednerin ist Anne Janssen für die CDU/CSU- Fraktion.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Anne Janssen (CDU/CSU):
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Jedes Jahr im Spätsommer freuen sich bundesweit Hunderttausende Kindergartenkinder auf ihren ersten Schultag. Als Grundschullehrerin hatte ich die Ehre, viele kleine ABC-Schützen in der ersten Klasse zu begrüßen. Neben der Freude, dem Stolz und der Aufregung war oft auch ein bisschen Angst zu spüren – Angst vor den fremden Kindern, vor fremden Räumen und auch vor den fremden Erwachsenen, die auf einmal da waren. Der Schulstart ist ein Meilenstein im Leben der Kinder und auf allen Seiten mit großen Erwartungen verbunden. Darum ist es nicht nur für die schulische, sondern auch für die ganz persönliche Entwicklung extrem wichtig, hier besonders gut vorbereitet zu sein. Bedauerlicherweise steigt aber in den letzten Jahren neben der Zahl der Zurückstellungen von der Einschulung auch die Zahl der Entwicklungsdefizite – wir hörten das gerade. Hinzu kommen Förderrückstände durch Corona und immer mehr Kinder mit anderen Muttersprachen. Aus ganz persönlicher Erfahrung als Grundschullehrerin kann ich Ihnen sagen: Chancengleichheit sieht wirklich anders aus. Meine Damen und Herren, ich spreche für eine ganze Berufsgruppe, wenn ich sage: Wir Lehrerinnen und Lehrer können das in der Grundschule nicht mehr aufholen; es ist zu spät. Aus diesem Grund bildet die frühkindliche Bildung ein wichtiges Fundament. Auch ich war einige Stunden in der Woche zur individuellen Sprachbildung der Kleinsten in den Kindertagesstätten unterwegs. Der Förderbedarf ist enorm, und er wächst weiter. Darum war Ihr Vorhaben, in den nächsten zwei Jahren 4 Milliarden Euro in die Qualität der frühkindlichen Bildung zu investieren, Musik in meinen Ohren, jedenfalls so lange, bis ich Ihren Gesetzentwurf gelesen habe. Sie wollen Kindertagespflege stärken, lassen dann aber das Programm „ProKindertagespflege“ einfach auslaufen.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Sie wollen die Qualität auf Basis der Evaluationsergebnisse des Gute-KiTa-Gesetzes weiterentwickeln, schließen aber die Beitragsfreiheit nicht aus. Sie wollen gleichwertige Lebensbedingungen für das Aufwachsen von Kindern im Bundesgebiet herstellen, fördern aber zu- gleich schwarz auf weiß die bestehenden Unterschiede. Letztlich – das ist der Punkt, um den es immer wieder geht – stufen Sie den Schwerpunkt der sprachlichen Bildung als vorrangig ein, lassen dann aber 6 600 Einrichtungen mit Sprachförderung im Regen stehen.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Liebe Kolleginnen und Kollegen, ist es zu viel erwartet, dass mehr als 50 Prozent der Mittel eines Qualitätsgesetzes auch für Qualitätsförderung ausgegeben werden, vielleicht ganze 100 Prozent? Offensichtlich. Gut gemeint ist eben nicht immer gut gemacht. Bedauerlicherweise sind die aufgezeigten Widersprüche in Ihrem Wollen und in Ihrem Handeln zu groß für unsere Zustimmung. In unserem Entschließungsantrag stellen wir ausdrücklich dar, unter welchen Bedingungen wir Ihrem Vorhaben gern zugestimmt hätten. Doch leider waren Sie wenig offen für diese wertvollen Hinweise, weder für die von unserer Seite noch für die von der Seite der Sachverständigen.
Es bleibt zu hoffen, dass wir mit Ihrem politischen Hin und Her zum Bundesprogramm „Sprach- Kitas“ nicht bereits zu viel von unserer wertvollsten Ressource, nämlich den Fachkräften, verloren haben und dass das Engagement unserer Erzieherinnen und Erzieher in den Einrichtungen vor Ort Ihren Einsatz hier um ein Vielfaches übertrifft.
Vielen Dank.
(Beifall bei der CDU/CSU)