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Anne Janssen MdB
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98. Sitzung vom 21.04.2023 – TOP 9. Corona-Bericht Gesundheit von Kindern und Jugendlichen

Anne Janssen (CDU/CSU):

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

8.00 Uhr Justus, 8.30 Uhr Mariam, 9.00 Uhr Katharina, 9.30 Uhr Viktor. Was sich anhört wie der Tourenplan eines ambulanten Pflegedienstes ist ein kleiner Teil aus meiner privaten Stadtrundfahrt, die ich als Lehrerin während der Coronapandemie regelmäßig durchgeführt habe, um meine Schülerinnen und Schüler mit Unterrichtsmaterial zu versorgen oder um Material bei ihnen abzuholen, das sie bearbeitet haben, um es zu Hause zu kontrollieren. Dazu kamen dann noch diverse Telefon- und Video- anrufe zu den unterschiedlichsten Tageszeiten; denn Sie können sich ja vorstellen, dass während der Coronapandemie die Schülerinnen und Schüler ihre Aufgaben nicht wie sonst am Vormittag erledigt haben, sondern dann, wenn es gerade passte, sie im besten Fall auch Lust dazu hatten oder – so wird es bei den meisten gewesen sein – die Eltern sie daran erinnert haben. Montag bis Freitag, manchmal aber auch am Wochen- ende. Bestenfalls blieb in dieser Zeit für jedes Kind ein kurzer Moment, mal persönlich an der Haustür mit Ab- stand, mal digital, mal am Telefon, aber bei manchen leider auch mal gar nicht. Zu Hause hatte ich dann noch die eigenen schulpflichtigen Kinder, gefrustet von ihren Aufgaben und genervt vom Homeschooling.

Sie ahnen es vielleicht: Das Wiedersehen in der Schule nach vielen Wochen durch mehrere Lockdowns war nicht für alle mit Freude verbunden und für mich als Lehrerin teilweise schockierend, als ich in die Hefte und Mappen der Schüler schaute. Bereits vor der Pandemie – das sagt auch der Bericht – gab es einen erhöhten Bedarf an Unter- stützung, besonders in Familien mit wenig Ressourcen. Auf das Wegbrechen der haltgebenden Struktur „Schule“ folgten dann auch noch Vereinsamung, Isolation, Angst – kurz: enorme psychische Belastungen. Gleichzeitig fehlten positive Anreize wie eine einfache Tagesstruktur, kör- perliche Aktivität, bei manchen auch – Sie können es sich nicht vorstellen – die regelmäßigen Mahlzeiten und, ganz wichtig, die soziale Interaktion. Vorbelastete Kinder traf es besonders hart. Der Anstieg psychischer Beeinträchti- gungen und anerkannter psychischer Behinderungen ist mittlerweile besorgniserregend.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie der Abg. Nezahat Baradari [SPD])

Langzeitfolgen lassen sich eben nicht mit Kurzzeitlösungen beheben. Ihr einjähriges Zukunftsprogramm kann – das wissen Sie auch selbst – mit 55 Millionen Euro in zwölf Monaten nur wenig bewirken. Deswegen empfehlen die Experten neben einem langfristigen Monitoring auch die Verstetigung sinnvoller Maßnahmen und besonders die Anbindung zukünftiger Programme an die Lebenswelt Schule. Und aus meinen Erfahrungen im Bereich der Elternarbeit schließe ich mich dem natürlich gerne an; denn ein gutes und unterstützendes Familienklima ist eine wertvolle Ressource für die psychische Gesundheit unserer Kinder, aber eben nicht alle haben diese Unterstützung zu Hause.

Grundsätzlich bin ich im Übrigen überrascht, wie viele Programme und Projekte für Kinder und Schulen mir aus der Berliner Perspektive immer wieder begegnen. Ich will ehrlich sein: Als Lehrerin und auch als Mutter waren mir diese in diesem Umfang so nicht bekannt. Mehr Beratung und Koordination wären darum auch sehr sinnvoll.

Abschließend möchte ich aber noch sagen, dass bereits jetzt erhebliche Anstrengungen auf vielen Ebenen unternommen werden, um unsere Kinder bei der Überwindung gesundheitlicher und sozialer Folgen zu unterstützen. Oftmals sind es ganz kleine und individuelle Ansätze dank einzelner engagierter Lehrerinnen und Lehrer oder auch Pädagogen. Und für die wünsche ich mir in der Zukunft den Rückhalt einer zielorientierten Bildungs-, Familien- und Sozialpolitik mit wenig Bürokratie und unkomplizierten Hilfen.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abge- ordneten der SPD)