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Anne Janssen MdB
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28. Sitzung vom 07.04.2022, Top 13 Änderung des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes

Vizepräsidentin Petra Pau:

Das Wort hat die Kollegin Anne Janssen für die CDU/ CSU-Fraktion.
(Beifall bei der CDU/CSU)

Anne Janssen (CDU/CSU):

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Wenn ein Gehörloser seine Begleitung zur Vorbesprechung für eine notwendige Operation wegen der Besuchereinschränkungen in ein Krankenhaus nicht mitnehmen darf und wegen des Tragens einer Maske nicht von den Lippen ablesen kann, wenn diese Person mit offenen Fragen, Ängsten und Unsicherheiten vor dieser anstehenden Operation allein zurückbleibt, dann ist das eine Folge der Pandemie, aber dann ist das auch eine Form der Diskriminierung. Dies ist nur eins von zahlreichen Erlebnissen der Benachteiligung in den letzten beiden Jahren. Viele Betroffene mussten auf notwendige Assistenzen in Schule und Beruf oder auf Beförderungsdienste verzichten. Häufig fielen erforderliche Therapien und Förderungen aus, medizinische und berufliche Rehabilitation fand nur eingeschränkt statt. Und wichtige Dienste und Einrichtungen für Menschen mit Behinderungen oder Ältere mussten zeitweise komplett schließen. Zudem waren Ersatzangebote wie digitaler Unterricht oder individuelle Beratung für Ältere oder eben Menschen mit Behinderung häufig nicht verfügbar oder aufgrund der persönlichen Einschränkungen nicht nutzbar. Die Coronapandemie stellt Menschen mit Behinderungen, Ältere und deren Angehörige in dieser Krise vor größte Herausforderungen. Gravierende Einschränkungen bei Gesundheit, Teilhabe und im einfachen Alltag sind noch heute das Ergebnis dieser Benachteiligungen. Liebe Kolleginnen und Kollegen, meine Schilderungen sind messbar; denn die Antidiskriminierungsstelle des Bundes erreichten im Jahr 2020 mit über 6 000 Eingängen im Vergleich zum Vorjahr 78 Prozent mehr Anfragen. Von den verschiedensten Formen der Diskriminierung bezog sich allein ein Drittel auf die Benachteiligung aufgrund einer Behinderung. Weitere 6 413 Beschwerden, Hilfe- oder Auskunftsersuche erreichten den Beauftragten der Bundesregierung für die Belange von Menschen mit Behinderungen. Diese Zahlen sprechen für sich. Der Schutz vor Diskriminierung ist eine zentrale Aufgabe unserer Gesellschaft und wichtiger denn je.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der Abg. Filiz Polat [BÜNDNIS 90/DIE GRÜEN])

Arbeit und Bedeutung der Antidiskriminierungsstelle sind vor diesem Hintergrund unbestritten, und ich danke der neuen Regierung für die Gelegenheit, dies heute einmal betonen zu dürfen. Nun aber zu Ihrem Vorhaben, künftig die Leitung der Antidiskriminierungsstelle des Bundes auf Vorschlag der Bundesregierung als Unabhängigen Bundesbeauftragten für die Dauer von fünf Jahren durch den Bundestag wählen zu lassen und durch den Bundespräsidenten berufen und benennen zu lassen. Nach der bekannten Problematik um die Nichtbesetzung der Leitung in den vergangenen vier Jahren kann ich Ihren Wunsch nach einer schnellen und unkomplizierten Lösung gut nachvollziehen. Der hier vorgeschlagene Weg findet auch durchaus Zuspruch unter den Experten. Ob die von Ihnen gewünschte Stärkung der Unabhängigkeit aber tatsächlich über ein politisches Wahlamt zu erreichen ist, wurde von den Sachverständigen ebenso angezweifelt. Auch wenn das allererste Gesetz lediglich reine Verfahrenspolitik um eine Personalie ist und kein bisschen Mehrwert für die Ratsuchenden enthält, so ist eine baldige Neubesetzung der Leitung der Antidiskriminierungsstelle doch wirklich wünschenswert. Da kann der Flüchtigkeitsfehler auf Seite 5 zu § 26i vor lauter Aufregung auch schon einmal übersehen werden. Letztlich ist das neue Verfahren zur Besetzung aber nicht die einzige Forderung aus Ihren umfangreichen Reformwünschen der letzten Legislatur. Warum ergreifen Sie nicht die Möglichkeit, all Ihre Ideen in die Tat umzusetzen? Scheitert es nun doch an der Realität der Regierung oder vielleicht an den beiden Ampelpartnern, die damals gegen Ihren Antrag stimmten?

Das Vorhaben zur Aufstockung personeller und finanzieller Ressourcen aus Ihrem Koalitionsvertrag ist im Haushalt bisher jedenfalls noch nicht abgebildet. In Ihrer gestrigen Vorhabenplanung im Ausschuss fehlte der neue Unabhängige Bundesbeauftragte für Antidiskriminierung bedauerlicherweise auch. Ich erwarte also mit Spannung das Ergebnis der Beratungen dieses Gesetzentwurfes sowie der Beratungen zum Einzelplan 17. Die von Ihnen geforderte umfassende Reform hin zu einem echten Antidiskriminierungsgesetz ist auf jeden Fall noch nicht zu erkennen.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU)