26. Sitzung vom 25.03.2022, Top 1 Epl 17 Familie, Senioren, Frauen und Jugend
Vizepräsidentin Aydan Özoğuz:
Als nächste Rednerin erhält für ihre erste Rede im Deutschen Bundestag Anne Janssen für die CDU/CSU das Wort.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Anne Janssen (CDU/CSU):
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Vor genau zwei Jahren beschloss der Deutsche Bundestag umfangreiche Hilfspakete, um die negativen Folgen der Coronapandemie abzumildern – eine einzigartige Neuverschuldung in Höhe von 156 Milliarden Euro. Sie applaudierten hier im Hohen Hause den Heldinnen und Helden des Alltags, die das Leben im ersten Lockdown mit ihrer systemrelevanten Arbeit aufrechterhielten. Aber wo stehen wir heute, nach zwei Jahren in der Pandemie? Als Lehrerin sehe ich Kinder mit großen Lernrückständen. Als Mutter sehe ich Familien, die auch heute noch mit den Belastungen durch Quarantäne und den eigenen Beruf am Limit sind. Als Tochter sehe ich Seniorinnen und Senioren, die zum Teil noch immer isoliert leben. Und als Krankenschwester sehe ich Pflegende, die sich immer noch für ihre Patienten aufopfern. Heute, genau zwei Jahre später, liegt uns der Einzelplan 17 des Bundeshaushaltes vor, der bereits 147 Millionen Euro mehr enthält als noch der erste Regierungsentwurf im letzten Jahr. Das ist im Gesamten zwar nur ein winziger Zuwachs, freut mich aber dennoch sehr für jede einzelne Empfängerin und jeden einzelnen Empfänger. Denn eines ist sicher: Jeder der insgesamt 12,6 Milliarden Euro, der zur Unterstützung unserer Familien, Seniorinnen und Senioren, Frauen und Jugendlichen ausgegeben wird, ist gut investiertes Geld.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Sicher ist aber auch, dass es zur Stärkung und Förderung unserer Gesellschaft immer mehr Mittel sein könnten. Lassen Sie uns das Augenmerk also weniger
auf die Zahlen und dafür mehr auf den Inhalt und die geplanten Maßnahmen und deren Wirksamkeit lenken. Oder konkreter gesagt: Lassen Sie uns auf den Nichtinhalt und die fehlenden Maßnahmen und deren nötige Wirksamkeit schauen.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Denn eines fällt mir besonders auf: Eine Zielgruppe – das ist auch heute deutlich geworden – wird vom für sie zuständigen Ressort häufig nur der Vollständigkeit halber erwähnt, meine Damen und Herren: die Seniorinnen und Senioren. Das ist schwer nachvollziehbar, wenn wir bedenken, dass diese Menschen unsere Eltern, unsere Großeltern, ehemaligen Kolleginnen und Kollegen, Lehrerinnen und Lehrer oder Erzieherinnen und Erzieher sind, Frauen und Männer, die uns geprägt haben, denen unser Land seinen heutigen Wohlstand verdankt und die – ich erwähnte es eingangs – wichtige soziale Strukturen dauerhaft verloren haben. Einsamkeit, ihre Auswirkung und der Umgang mit ihr bestimmten in den letzten Jahren zu Recht die öffentliche Diskussion. Deswegen erklären Sie mir und allen Betroffenen bitte, warum dieses gesellschaftlich bedeutende Problem zwar in fast allen Regierungsprogrammen prominent mit einer Forderung nach einer umfassenden Strategie zu finden war, im Koalitionsvertrag dann aber bis in die Aufzählungen wegverhandelt wurde.
(Beifall bei der CDU/CSU)
In Ihrem Einzelplan hilft dann auch die Suchfunktion nicht weiter. Wie eigentlich bei allen Vorhaben aus Ihrer Wunschliste namens „Mehr Fortschritt wagen“ sucht man die Umsetzung vergebens. Immerhin ist Ihr Ziel, „die Rolle der älteren Generation zu stärken und deren wertvolles Erfahrungswissen in die Gesellschaft einzubringen. Langfristig soll ihre Rolle innerhalb unserer Gesellschaft – hin zu einem Leitbild des aktiven Alters – neu definiert werden.“ Eine sehr lobenswerte Absicht. Konkrete Maßnahmen zur Umsetzung suchte ich dann aber auf den folgenden 113 Seiten des Einzelplans 17 erfolglos. Dabei benötigen gerade langfristige Vorhaben hin zu einem gesellschaftlichen Wandel viel Zeit, die Sie nicht verlieren sollten. Also worauf warten
Sie? Die Union war in den letzten Legislaturen und insbesondere während der Coronapandemie eine starke Stimme der älteren Generation. Von unseren umfangreichen Positionspapieren können Sie sich bei Ihrer Arbeit sehr gern inspirieren lassen.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Auch die von uns initiierte Förderung der Mehrgenerationenhäuser legte schon vor Jahren den Grundstein für Ihren Wunsch nach einem neuen Leitbild, und davon konnte ich mich in meinem Wahlkreis bereits persönlich überzeugen. Ein ebenso bedeutendes Element sozialer Teilhabe aller Generationen ist das seit 60 Jahren bewährte Erfolgsmodell des Freiwilligendienstes. Er stärkt den Zusammenhalt in der Gesellschaft zwischen den Generationen und bereichert das ganze weitere Leben der engagierten Jugendlichen. Selbstverständlich hat die Union dieses Engagement als unverzichtbare Investition in die Zukunft der sozialen Berufe in der letzten Legislatur als Schwerpunkt mit zusätzlich 65 Millionen Euro unterstützt. Mit großer Sorge musste ich feststellen, dass Sie diesen Wert offenbar weniger bedeutend einschätzen. Wie sonst erklären Sie die faktische Kürzung der Fördermittel ab 2024? Planungssicherheit ist für gewachsene Strukturen eine wichtige Basis und Grundvoraussetzung. Mittel können nur dann sinnvoll eingesetzt werden, wenn sie auch durch Verpflichtungsermächtigungen in den Folgejahren abgesichert werden, und wenn die Verstetigung nicht jetzt aufgegriffen wird, ist es langfristig zu spät. Ausgedünnte Strukturen sind bei andauerndem Fachkräftemangel kaum wieder aufzubauen. Das Signal, das Sie hier setzen, ist für die motivierten Jugendlichen und die beteiligten Einrichtungen eine schwere Herabwürdigung.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Zu guter Letzt ist es mir ein Herzensanliegen, hier und heute für die dauerhafte Förderung der UN Women Deutschland zu werben. Als Abgeordnete des Deutschen Bundestages wurde mir die Ehre zuteil, zur 66. Sitzung der UN-Frauenrechtskommission nach New York zu reisen. Vor Ort konnte ich mich von der anspruchsvollen und erfolgreichen Arbeit unserer deutschen UN Women überzeugen, und ich möchte mich an dieser Stelle sehr herzlich für die ausgezeichnete inhaltliche, organisatorische und sehr persönliche Begleitung bedanken.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)
Bedauerlicherweise beträgt der deutsche Beitrag an UN Women im zweiten Regierungsentwurf des BMZ 5 Millionen Euro weniger als 2021. In Anbetracht der aktuellen weltpolitischen Lage und besonders im Hinblick auf die vielen geflüchteten Frauen halte ich das Engagement der UN Women für wichtiger denn je und die geringe Aufstockung des zuständigen Ressorts für ein völlig falsches Zeichen. Ich bitte Sie also, liebe Ampelfraktionen, die Entscheidung in den anstehenden Beratungen zu korrigieren und die derzeit unbeständige Projektförderung in unserem Etat in eine auf Dauer angelegte, gesicherte Finanzierung zu überführen.
(Ulle Schauws [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ach so! Das hatten wir die ganzen Jahre mit Ihnen leider nicht!)
Vielen Dank.
(Beifall bei der CDU/CSU)